Zehn Jahre Calando Pflegedienst. Das ist nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern die Gelegenheit, kritisch in die Vergangenheit zu blicken. Aus Fehlern lernen und sich stets hinterfragen – das ist Michael und Lysann Quaas überaus wichtig.
Als das Ehepaar 2008 den Calando Pflegedienst gründete, ahnten die beiden nicht, welche Herausforderungen sie erwarten würden. Das Unternehmen stand sogar kurz vor der Insolvenz. Doch mit Mut und Beharrlichkeit stellten sie sich den Problemen, wie sie in einem persönlichen Gespräch verraten.
Was haben Sie vor dem Calando Pflegedienst beruflich gemacht und wie kam der Wunsch auf, selbst einen Pflegedienst gründen zu wollen?
Michael Quaas: Vor dem Calando Pflegedienst arbeitete ich 14 Jahre stationär bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Die Zeit möchte ich nicht missen, bereitete mir die Tätigkeit doch viel Spaß. Aber mich reizte die ambulante Pflege. Und: Ich wollte einfach mal was anderes machen, was sich sozusagen auch entwickelte. Damals drehte sich meine Pflegedienstleiter-Abschlussarbeit um den Aufbau eines Pflegedienstes. Meiner Auffassung nach war mir diese gut gelungen, und da dachte ich: „Wenn ich die Theorie schon kann, wieso nicht selbst gründen…?“
Außerdem war da ein großer Wunsch: Ich wollte die Pflege so machen, wie sie gut ist.
Lysann Quaas: Ich beendete damals erfolgreich meine Ausbildung zur Altenpflegerin, übte den Beruf jedoch nicht weiter aus. Unter anderem kam die Elternzeit dazwischen. Dann hatte mein Mann die Idee, einen Pflegedienst zu gründen. In den stieg ich mit ein (lacht). Letztlich stand ich vor der Wahl, mir nach der Elternzeit irgendwo einen Job zu suchen oder meinen Mann zu unterstützen. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer.
Mussten zu Beginn viele Hürden genommen werden?
Michael Quaas: Das Schwierigste war es, die Kassenzulassung zu erhalten. Aufgrund des überzeugenden Businessplans bekamen wir die Finanzierung relativ unkompliziert, auch gab es Unterstützung wie Existenzgründerhilfe. Dagegen verzögerte sich die Kassenzulassung immer wieder, was uns nervlich belastete. Das war eine sehr anstrengende Zeit. Am Schluss klappte es dann doch. Persönlich empfand ich die Abstimmung mit der Familie als recht aufwändig, wir hatten zu der Zeit ja auch zwei kleine Kinder.
Lysann Quaas: Ich sprang ständig zwischen Familie und Büro hin und her. Mit den Kindern bekamen wir alles relativ gut in den Griff. Sowieso besaß mein Mann in der Zeit den sehr viel schwereren Posten.
Auf welche Schwierigkeiten stießen sie in den ersten Monaten?
Michael Quaas: Wir starteten mit keinem einzigen Klienten, hatten also im wahrsten Sinne des Wortes nichts. Es kostete etwas Überwindung und vor allem Motivation, zu den Ärzten zu gehen und sich vorzustellen. Niemand hatte auf einen weiteren Pflegedienst gewartet, das Gegeninteresse fehlte also zu Beginn. Das besserte sich glücklicherweise sehr schnell mit den ersten Klienten, als wir auch auf fachlicher Ebene mit Ärzten ins Gespräch kamen. Wir mussten uns also erst beweisen, was an sich auch gut war. Nur das machte den Start nicht einfacher.
Insgesamt dauerte es recht lange, bis wir „den Fuß in der Tür“ hatten. Das führte dazu, dass wir zwischenzeitlich einen weiteren Kredit aufnehmen mussten, schließlich sollten ja auch die Gehälter der ersten Mitarbeiter und die laufenden Kosten bezahlt werden.
Calando stand einmal kurz vor dem Aus. Was haben Sie unternommen, um alles wieder in gute Bahnen zu lenken?
Lysann Quaas: Wir müssen eher fragen, warum es dazu gekommen ist. Unsere Philosophie war stets gewesen, eine Pflege so zu leben und zu machen, wie wir sie uns vorstellen. Dummerweise rechneten wir nicht mit…
Michael Quaas: …es war zwischen 2012 und 2014 – das war die Zeit, als wir uns als Chefs aufgrund steigender bürokratischer Verpflichtungen aus der Pflegetätigkeit herausnahmen, wir also mehr im Büro waren als vorher. Daher mussten ein bezahlter Mitarbeiter unsere Arbeit übernehmen. Leisteten wir Überstunden, erledigten wir diese unbezahlt. Wie das bei Selbständigen gerade in der Anfangszeit immer so ist. Nun aber kostete die Arbeit zusätzlich Geld, das auch aus unternehmerischer Sicht verdient werden musste. Wir hätten nie gedacht, dass dies finanziell so starke Auswirkungen haben würde.
Ein weiterer Aspekt war, dass wir lernen mussten, wie ambulante Pflege tiefgründig funktioniert.
Lysann Quaas: Wir interpretierten manche Sachen einfach fehl oder nicht ausreichend.
Michael Quaas: Ein bisschen zu lieb für die Welt waren wir auch. Vielleicht etwas naiv. Und betriebswirtschaftlich war das alles noch nicht so solide wie heute.
Lysann Quaas: Es war schlicht gute Arbeit, die sich nicht gerechnet hat.
Wenn Sie auf die vergangenen 10 Jahre zurückblicken – wie empfinden Sie ihre Arbeit heute und sind Sie zufrieden mit dem, was sie geschaffen haben?
Michael Quaas: Gegenwärtig bin ich nicht zufrieden, was an der Mitarbeitersituation liegt. Unabhängig davon haben wir unser Ziel unverändert vor Augen, obwohl ich damals andere Vorstellungen davon hatte, was Glück, Erfolg und eine optimale Pflege ausmacht. Zwischen den Visionen von vor zehn Jahren und der Realität, die ich heute sehe, gibt es klare Unterschiede. Das mag ein klein wenig ernüchternd klingen, aber umsonst war die ganze Arbeit auf keinen Fall!
Lysann Quaas: Die gesellschaftliche Anerkennung des Pflegeberufes macht es ohnehin schwer. Viel zu geringe Bezahlung für das, was eigentlich geleistet wird – das ist ein echtes Problem.
Aber: Ich wollte damals nach meiner Elternzeit einen anspruchsvollen Bürojob haben. Dass ich mich jetzt mit Pflegedienstleistungen beschäftige, hatte ich zwar nie erwogen, doch entspricht das dem, was ich mir gewünscht habe. Es ist definitiv der herausfordernde Bürojob geworden, den ich mir vorgestellt habe. Das bereitet mir auch sehr viel mehr Freude, als würde ich mich langweilen.
Michael Quaas: Es ist natürlich nicht alles schlecht. Wir helfen fast 100 Klienten und haben Arbeitsplätze geschaffen. Das erfüllt uns mit Stolz.