Erstaunt, überrascht, amüsiert, traurig, nachdenklich, optimistisch. Ein Arbeitstag bei der Calando Pflegedienst GmbH kann auch ein Wechselbad der Gefühle sein.
Seit über drei Jahren fülle ich das Calando Magazin mit Inhalten. Ich stelle Mitarbeiter vor oder berichte über Neuigkeiten, Messeauftritte und die Klienten der Calando Pflegedienst GmbH. Doch wie der Alltag in der ambulanten Pflege aussieht – das konnte ich als Redakteur bisher nur erahnen. Zeit also, einmal die Perspektive zu wechseln. Ich begleitete Pflegekraft Nadine Klug bei ihrer Frühschicht, um mehr über den herausfordernden, aber auch schönen Job herauszufinden.
Es geht los!
Der Wecker klingelt 5:45 Uhr. Eine für mich völlig untypische Zeit, beginne ich in der Regel gegen 8 Uhr mit meiner Arbeit als Journalist und (Berufs-)Blogger. Anziehen, Kaffee trinken, Zähne putzen, ab zum Calando-Hauptquartier. Als ich dort (fast) pünktlich um 6.45 ankomme, treffe ich Nadine. Sie erklärt mir, was mich erwartet.
Die erste Überraschung gleich am frühen Morgen: Der Ablauf ist perfekt organisiert. Fahrtzeiten, Dauer des Aufenthalts bei den Klienten, Pausen – alles eingeplant und eingetaktet. Sollte kurzfristig ein anderer Mitarbeiter einspringen müssen, zum Beispiel bei einem Krankheitsfall, erfährt dieser auf dem Tagestourenplan, welche Erledigungen anstehen und was konkret zu tun ist. Die angebenen Zeiten sind tatsächlich angemessen und lassen zu keiner Zeit Hektik aufkommen. Zum Beispiel bei der Fahrt von einem zu einem anderen Klienten. Diese wirklich faire Organisation des Arbeitstages beruhigt mich. Unnötiger Stress wird vermieden, da genügend Zeit für jeden einzelnen Kunden sowie die eigentliche Tour freigehalten wird.
Die Schicksale selbst erleben
Unsere erste Klientin ist Frau Löber, die ich bereits kenne. Ich traf die 96-jährige Dame bereits vor einigen Monaten. Damals verriet sie mir das Geheimnis ihres Alters. Nun will sie von Nadine gewaschen und angezogen werden. Währenddessen gibt es ein kleines Schwätzchen und den einen oder anderen Scherz. Aufschlussreich für mich: Nadine trägt alles in eine Klientenmappe ein, um so Ereignisse und Aktivitäten zu dokumentieren.
Ähnlich verläuft es kurze Zeit später bei Frau Bachmann. Duschen, anziehen und dabei behilflich sein, das Frühstück vorzubereiten. Erstmals merke ich hier, dass uns einfach nicht unendlich viel Zeit zur Verfügung steht. Ich koche Kaffee, Nadine stellt den Toaster an. Viel mehr können wir in den vorgesehenen 23 Minuten gar nicht machen.
Für das Überziehen der Strümpfe von Frau Latzel bleiben uns an diesem Tag acht Minuten. Schlimm finde ich das nicht, denn sie ist sehr rüstig, gut gelaunt und agil. Mehr Hilfe verlangt sie derzeit ohnehin nicht.
Bei Frau Müller* muss ich das erste Mal schlucken. Nadine hilft ihr aus dem Bett und wäscht sie, parallel dazu bereite ich das Frühstück zu. Die sehr ruhige Frau isst ein paar Happen, wir sind schon auf dem Sprung zum nächsten Klienten. Als Nadine meint, wir würden später noch einmal kommen, fragt Frau Müller: „Muss ich bis dahin hier sitzen bleiben?“. Die Antwort „Ja“ trifft auch mich hart. Was soll sie denn bis dahin im Rollstuhl tun? Die andere Seite habe ich aber im Hinterkopf. Es ist die freie Entscheidung von Frau Müller und ihren Angehörigen, im vertrauten Umfeld ihrer Wohnung bleiben zu wollen. Die Aufgabe eines ambulanten Pflegedienstes ist niemals die Rundumversorgung. Natürlich wäre es schöner, ein Betreuer würde zusätzlich die Stunden zwischen Frühstück und Mittag überbrücken. Doch für solche Aspekte müssten neue gesetzliche Regelungen her und zusätzliche Gelder zur Verfügung stehen. Das liegt nicht in der Macht eines einzelnen Unternehmens wie der Calando Pflegedienst GmbH.
Überall Einsamkeit
Wir fahren zu Herrn Berndt, einem kräftigen Mann mit charismatischen Gesichtszügen und Kuscheltieren auf der Couch. Nadine unterstützt ihn bei den Kompressionsstrümpfen, bei weiteren Pflegemaßnahmen und beim Einnehmen der Medikamente. Es läuft laute Musik, Nadine summt mit, die Sonne strahlt in die Wohnung und Herr Berndt ist zu Späßen aufgelegt. Und doch merke ich auch ihm an, dass er viel zu selten Gesellschaft bekommt.
Einsamkeit. Aus der macht Frau Schmiedel, für die wir 15 Minuten einplanen, gar kein Geheimnis. Sie pflegte ihren dementen Mann bis zum Tod, seitdem lebt sie alleine in der viel zu großen, finsteren Wohnung. Sie selbst war der Auffassung, gar keine Pflege oder Hilfe im Haushalt zu benötigen. Doch ihr weit entfernt lebender Sohn wünscht sich, dass regelmäßig jemand vorbeischaut. Sie redet wie ein Wasserfall über ihre Sorgen, Ängste und Probleme. Und ich frage mich, was man wohl tun könnte, um ihr das zu geben, was sie wirklich braucht: soziale Kontakte und wieder mehr Lebensfreude.
Lebensfreude ist auch das, was Herrn Bratschke fehlt. Durch einen Schicksalsschlag und den Tod seiner Frau sitzt der 64-Jährige nun im Rollstuhl. Sein Alltag spielt sich in einer kleinen Einraumwohnung ab. Fürs Briefe öffnen und Aufräumen fehlt ihm wahrscheinlich die Kraft. Nadine ist jedoch positiv überrascht, denn Herr Bratschke ist für seine Verhältnisse gut gelaunt und hat auch den einen oder anderen lockeren Spruch auf Lager. Sein Humor macht mir die Hoffnung, dass es ihm bald besser geht.
Frühstückspause
Nach zweieinhalb Stunden Arbeit wartet die 30-minütige Frühstückspause auf uns. Bis jetzt besuchten wir also sieben Klienten mit ihren zum Teil völlig unterschiedlichen Geschichten, Krankheiten und Lebenssituationen. Mich freut es, dass noch längst nicht alle Menschen im hohen Alter ihren Lebenswillen verloren haben. Zugleich schockiert es mich zu erkennen, dass das Alleinsein oftmals ausschließlich durch Pflegekräfte unterbrochen wird, die sich nur um das Nötigste kümmern können. Aber ohne Frage das Beste geben!
Ich bin ernüchtert. Ich sehe Schicksale und Menschen, denen es sichtlich an dem Zwischenmenschlichen fehlt. Kann es so schwer sein, etwas zu verändern, die Lebensqualität zu erhöhen, die Pflege zu verbessern? Und Fälle wie die von Herr Bratschke zeigen: Jeder kann aus dem Leben gerissen und zu einem Pflegefall werden. Beängstigend. Als ich mit Nadine darüber rede, meint sie: „Wir können so froh sein, dass es uns und unseren Familien gut geht und wir gesund sind.“ Recht hat sie.
Klar: Als Pflegedienst können Mitarbeiter nur in den Rahmen ihrer Möglichkeiten agieren. Auch hier wird mir bewusst, dass die Calando Pflegedienst GmbH tatsächlich bemüht ist, es besser als andere zu machen. Und sei es die angenehme, gut durchdachte Tourenplanung.
Sich Zeit nehmen
Der zweite Teil des Arbeitstages gestaltet sich ganz anders. Am Mittag sitzen wir gemeinsam mit Frau Löber auf ihrem Balkon, genießen einen der letzten Sommertage dieses Jahres bei einem angenehmen Plausch über ihre Vergangenheit. Das ist im Rahmen der Verhinderungspflege nämlich möglich.
Bei Frau Müller* koche ich das Mittagessen, Nadine hängt zuvor gewaschene Wäsche auf. Wir leisten ihr etwas Gesellschaft. Immerhin 45 Minuten. Bevor wir ihre Wohnung verlassen, wird sie auf ihren Wunsch hin kurz nach 12 Uhr mittags wieder ins Bett gelegt. Sie winkt uns zum Abschied zu. Das ist hart, denn bei ihr vernehme ich die schwindende Lust am Leben. So traurig.
Unsere letzte Klientin an diesem Tag ist Frau Hartwig. Eine wunderbare Frau, 89 Jahre alt, überaus gepflegtes Erscheinungsbild, mit einem dezenten bayerischen Dialekt und…leicht dement. Aber das lässt sie sich kaum anmerken, sie freut sich über das Wetter und vor allem über uns. Wir reden über ihre bereits verstorbenen Geschwister, über ihre geliebte Enkelin und die Familie, für die sie erst vor sechs Jahren nach Dresden zog. Eine Krankheit wie Alzheimer kann nicht vermieden werden, doch Menschen wie ihr kann man einen schönen Lebensabend bescheren. Dazu gehören eine professionelle Pflege und Zeit für diese, soziale Kontakte und – im besten Fall – die Angehörigen, die sich auch kümmern.
Ein ereignisreicher Tag
Mein Tag in der ambulanten Pflege war voller Eindrücke. Und es kamen zahllose Fragen auf. Zum Beispiel: Wieso ist die Wertschätzung für diese Arbeit so gering?
Es ist wichtig, pflegebedürftigen und alten Menschen den Respekt entgegenzubringen, den sie verdienen. Damit ist nicht nur Waschen und Medikamente verabreichen gemeint. Wir brauchen mehr Zeit für Zwischenmenschliches und intensivere Beziehungen zueinander. Häufig kamen mit Gedanken in Richtung „Mehr-Generationen-Wohnen“ und „Ersatzfamilien“ für Senioren – aber vielleicht ist das eine naive Träumerei?!
Doch es gibt für mich weitere Erkenntnisse: Die Mitarbeiter bei der Calando Pflegedienst GmbH machen einen großartigen Job. Sie sind trotz einer gut gefüllten Tourenplanung nie in Eile und können in Ruhe auf die Wünsche der Klienten eingehen. Aber auch hier kommt der ambulante Pflegedienst an seine Grenzen, die zweifelsohne von der Politik gesteckt wurden. Es muss sich vieles ändern, damit wir den Hilfsbedürftigen (noch!) mehr Lebensqualität schenken können. Und es müssen Lösungen her, um die enormen Leistungen der Pflegekräfte zu honorieren, sie zu entlasten und auf den unaufhaltsamen, demografischen Wandel vorbereitet zu sein.
Ein großes Dankeschön an Nadine für die Möglichkeit, bei einer Schicht dabei sein zu dürfen. Die Klienten können froh sein, dass es Leute wie dich gibt, die diesen Job mit viel Leidenschaft machen und ihn sichtlich lieben!
*Name auf Wunsch der Angehörigen geändert.